veröffentlicht am 29. November 2014 | von Wolfgang Veit
Am Steinhof geschieht, was die BürgerInnen wünschen – oder? – Christine Muchsel
Am Steinhof geschieht, was die BürgerInnen wünschen – oder ?
Die Behauptung der Stadt Wien “ Jetzt geschieht am Steinhof das, was die Bürger wünschen“ , ist falsch.
Die jüngst veröffentlichten Pläne, zuerst Pavillons im Therapie-Areal im Osten in Wohnungen umzubauen, dann mit der Errichtung von 10 Wohnblöcken zu beginnen und in zwei Jahren – vielleicht – ein Nutzungskonzept für das Gesamtareal vorzulegen, hat mit den Bürgerwünschen nichts zu tun. Tatsächlich beschädigen sie die langfristigen Nutzungschancen, die das Areal uns und den nächsten Generationen bieten kann, massiv.
Nach jener Sitzung, in der die Testplanung offen zur Gesiba-Wohnbauplanung mutierte ( ich war urlaubsbedingt vertreten), bin ich unter Protest aus dem Testplanungsverfahren ausgestiegen.
Hier mein Schreiben vom 10.08.2013 an alle daran Beteiligten:
Christine Muchsel, BI Steinhof
Sehr geehrte Damen und Herren !
Nach über einem Jahr der Mitarbeit an Vormediation, Mediation, Expertengremium und den ersten Sitzungen im Rahmen des Testplanungsverfahrens hat mich die Entwicklung in den Wochen meiner Abwesenheit doch sehr überrascht. Besonders verblüfft mich der Rausschmiss des Kollegen Wolfgang Veit, der gerade wegen seiner mit Klugheit und Bedacht gewählten Worte und gesetzten Handlungen sowie seiner fachlichen Kompetenz allgemein geschätzt wird. Für die vielen Monate der zwar oft mühsamen, doch in den Ergebnissen sehr erfolgreichen Kommunikation und Kooperation in den diversen Gremien möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken. Nach den Ereignissen der letzten Wochen sehe ich mich allerdings außer Stande, als Vertreterin der Bürgerinitiative weiter m Testplanungsverfahren teilzunehmen.
Das von der Stadt Wien zusammengesetzte und finanzierte Expertengremium hat mit seinen im April veröffentlichen “ 9 Geboten “ Weitblick und Verantwortungsbewusstsein bewiesen.
Diese Forderungen werden von der Bevölkerung und der Bürgerinitiative vollinhaltlich gut geheißen und sind umgehend umzusetzen. Auch die Auslagerung der Frage nach der Zukunft des Ost-Areals in ein eigenes Testplanungsverfahren macht Sinn. Benötigt doch ein neu zu erstellendes Nutzungskonzept für 70ha Parklandschaft und rund 60 Gebäude eventuell Reservebauflächen, um notwendige, das Konzept ergänzende Einrichtungen, die nicht in vorhandenen Pavillons untergebracht werden können, zu errichten. Und wenn im Vorfeld nach raumplanerischen, kunsthistorischen und ökologischen Kriterien optimale Bereiche, Kubaturen, Baumaterialien etc. fachmännisch eruiert werden, kann eine Gräueltat wie die Errichtung des Vamed-Gebäudes künftig nicht mehr passieren. Gleichzeitig kann, ja muss, nach Feststellung potentieller Reservebauflächen umgehend die von den Experten mehrfach geforderte Rückwidmung sämtlicher Freiflächen in geschütztes Grünland erfolgen.
Nun sieht es allerdings so aus, als würden unter massivem politischen Druck alte Gesiba-Konzepte aus dem Hut gezaubert, deren Umsetzung in eklatantem Widerspruch zu diversen bisher erarbeiteten Grundsätzen sowie der Aufgabenbeschreibung des Testplanungsverfahrens steht:
o Seit wann und weshalb sind plötzlich die 200 von der Gesiba gewünschten Wohnungen offenbar Vorgabe für das Testplanungsverfahren ?
Nutzungsreserven, die in funktionalem Zusammenhang mit dem Gesamtareal gesehen werden müssen, im Vorfeld für politische Zwecke zu missbrauchen kommt einem
Schildbürgerstreich gleich und widerspricht jeder Logik. Lesen Sie die Aufgabenbeschreibung zum Testplanungsverfahren und Sie werden mir zustimmen müssen:
“ Daher erscheint es auch sinnvoll, für die zukünftige Entwicklung des Otto-Wagner-Spitals Nutzungsreserven im Ostareal freizuspielen, um damit das Gesamtareal funktional zu konsolidieren und denkmalpflegerisch sichern zu können.“
“ Die Vision des Gesamtareals ist die entscheidende Größenordnung für die Entwicklung des Ostareals, das heißt, dass erstens die Entwicklung des Ostareals immer im Zusammenhang möglicher zukünftiger Nutzungen des Gesamtareals gesehen werden muss….“
o Wie können Eigentums- oder Genossenschaftswohnungen mit der Forderung, nur zeitlich begrenzte Nutzungsrechte am Gesamtareal zuzulassen, in Einklang gebracht werden?
o Wo sollen die PKWs der Wohnungsnutzer ein- und ausfahren ? Über die Reizenpfenninggasse ? Über enge Gässchen, die allesamt verkehrsberuhigte Zonen darstellen ? Über diese Gässchen, deren Anrainern die Gemeinde Wien schon zu Beginn der Diskussionen versprochen hat: „Allfälliger zusätzlicher Verkehr wird sicher nicht über die
Reizenpfenninggasse in das Areal geleitet“, wie selbst ein Vertreter der Gemeinde Wien im Testplanungsverfahren klarstellte?
o Und wo sollen die PKWs dann hin ? Die originelle Idee “ ach, dann wird halt die Vamed-Tiefgarage um ein paar hundert Stellplätze weiter in den Berg hinein gegraben“
übersieht, dass auch sämtliche Grünflächen unter Schutz stehen. Und man muss kein erfahrener Ökologe sein, um zu wissen, dass über Betondecken nur mehr Pseudonatur vegetieren kann.
o Das Pathologie-Gebäude stellt mit seinem kunstvoll gestalteten Umfeld einen Solitär im Ostbereich dar. Ihm gebührt besondere Achtung und entsprechender Freiraum, um in seiner Einzigartigkeit Bestand zu haben. Das hat auch Frau Dr. Plakolm, kunsthistorische Beraterin im Testplanungsverfahren, klar formuliert. Sie bittet um besondere Sensibilität im Umgang mit diesem Gebäude und rät von Verbauungen im Umfeld ab. Bis jetzt scheint das die Planer nicht zu kümmern. Wie werden die Architekten und deren Steuerungsteam mit ihrer beratenden Expertin und deren Stellungnahmen letztlich umgehen ?
Abschließend ersuche ich die Leitung des Testplanungsverfahrens, die Mitglieder der Steuerungsgruppe sowie die teilnehmenden Architektenteams, ihre Arbeit so gewissenhaft und logisch nachvollziehbar, wie sie es bis vor Kurzem getan haben, zu Ende zu führen. Die Zukunft eines großen Kulturgutes und eines sozialpolitisch wie ökologisch wichtigen Gemeingutes steht auf dem Spiel. Und nicht nur das. Durch das Eingehen auf politische Kompromisse wird viel Vertrauen in demokratische Entscheidungen verspielt und gemeinsam Erreichtes zunichte gemacht. Bisher hat die, zugegebener Maßen nicht immer konfliktfreie, Kooperation mit der Bürgerinitiative beachtliche Resultate erbracht. Seriöse Weiterführung der bisherigen Arbeit kann nicht nur zu einem international geachteten Vorzeigeprojekt führen, auch die rot/grüne Stadtregierung könnte mit Stolz auf diesen einzigartigen Erfolg verweisen. Durch politischen Druck, undemokratischen Entscheidungen und Rausschmiss von kritischen Beobachtern stößt die Stadtregierung nur die engagierte Bevölkerung vor den Kopf.
Mit besten Grüßen
Christine Muchsel, BI Steinhof
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