Bürgerinitiative „Steinhof als Gemeingut erhalten und gestalten“

„Für die Ärmsten das Schönste“, dieses Motto des Erbauers,
sollte auch weiterhin Maßstab für die Zukunft des
Otto Wagner Spitals am Steinhof sein.

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Kulturerbe

veröffentlicht am 22. September 2015 | von Wolfgang Veit

Ehem. psychiatrische Klinik in Triest

Eindrücke von einem Besuch in der ehem. Psychiatrischen Klinik in Triest.

Die Anlage stammt aus der selben Zeit wie Steinhof und liegt an einem extrem steilen Hang. Das Zeichen für Schneekettenpflicht steht an den Straßen, die abenteuerlich steil sind und einspurig ! Mit Gegenverkehr ! Wir sind in Italien. Den Menschen wird hier offenbar mehr Lösungskompetenz zugetraut; vielleicht war es auch deshalb möglich, dass die Bewegung zur Öffnung der psychiatrischen Kliniken von hier ausging.

Der steile Hang begrenzt Triest wie eine Schüssel nach Norden. Ein Steinbruch ist schon von weitem zu sehen – ein guter Wegweiser. Links davon (westlich) liegt die Klinik Giovanni Sai. Wo der Verputz von den Gebäuden abgebröckelt ist, ist zu erkennen, dass diese Steine für die Mauern verwendet wurden. Besondere Überraschung: Auf diesen steilen Hang fährt eine historische Straßenbahn hinauf – eine Meisterleistung österreichischen Eisenbahnbaus.

Ist Steinhof ein am Hang quer liegendes Rechteck, so bildet Giovanni Sai ein mit der Schmalseite sich an den Berg lehnendes Rechteck.

Die Anlage ist offen. Kein Portier, die Eingangstore sind ausgehängt, keine geschlossene Umgrenzung. Zwar sind da Mauern, sie haben aber vor allem die Funktion, den Hang zu terrassieren und das Gelände zu stützen. Ein Bus (Linie 12) fährt vom Zentrum kommend durch die ganze Anlage. Was nötig ist, um die verschiedenen Einrichtungen nicht nur für Jugendliche erreichbar zu machen.

Der größte Rosengarten Italiens: Rosen überall ! Aber Rosen brauchen Pflege und das schaffen die Betreiber der Anlage nicht ganz. Ein nettes Detail: der Imker.

Die ganze Anlage Jugendstil, sehr ähnlich den Pavillons von Steinhof.
Das Direktionsgebäude anders – eher im Gründerzeitstil.

Die Gebäude standen vor ihrer Wiederbelebung im Unterschied zu Steinhof offenbar lange Zeit leer. Deshalb ist die Aufgabe der Instandsetzung um einiges schwieriger. Mindestens 1/3 der Gebäude wartet noch darauf.

Im Vergleich zu Steinhof gibt es eine größere Vielfalt von Gebäuden, die aber mit Ausnahme des Direktionsgebäudes trotzdem einheitlich gestaltet sind. Manche Gebäude sind riesig – an der Talseite 6 bis 7-geschoßig – mit den vom OWS bekannten Raumhöhen (extrem steiles Gelände). Die Gebäude sind bunter, die Fassaden sind größtenteils verputzt und bemalt. Die Anlage ist im Stadtbild an dem ins Orange gehenden Gelb zu erkennen. Portale und Friese der Gebäude sind verschieden gestaltet, jedenfalls bunt dekoriert.
Bei den Balkonen scheint durch die Bemühungen zu wärmeisoliertem Bauen etwas passiert zu sein: Die alten verfallenden Balkone sind dünn, elegant zur Gesamtkonstruktion passend, die neuen dagegen dick, offenbar beidseitig eingepackt und plump, noch dazu weiß gestrichen. Bei den auch vorhandenen Holzbalkonen erübrigt sich dieses Einpacken zum Glück.
Westlich und nördlich grenzt die Anlage an einen Wald, sie selbst ist baumbestanden, so dass es auch an heißen Tagen in diesem Südhang ganz erträglich ist. Im krassen Gegensatz dazu das in Sichtweite gelegene Hauptgebäude der Universität: Eine monumentale Treppe führt zu einem zweiflügeligen Gebäude, harte Kanten, groß, mächtig, Ehrfurcht gebietend – ohne Baum oder Strauch. Zwei unterschiedliche Arten der architektonischen Gestaltung eines Steilhanges.

Auch in Giovanni Sai gibt es eine interessant gestaltete Treppe, zu der man über ein lange Allee gelangt. Ein solches Gebäude hätte ich mir eher am Eingang erwartet. Wenn schon nicht da, so doch mit krönendem Abschluss; aber auch das nicht: Dahinter – von unten nicht zu sehen, ein zerfallendes eingeschossiges Gebäude unbekannter Zweckwidmung, links das Heizhaus und rechts die Kirche. Macht durchaus Sinn, denke ich, Heizhaus und Kirche am höchsten Punkt zu situieren, aber Irrtum: Was ich für eine Kirche gehalten habe, ist das Teatrino Franco i Franca Basaglia. Und es geht noch weiter nach oben.

Jetzt kommt die Kirche, ganz wie man sich´s von einer Kirche erwartet, mit Turm, überhaupt nicht monumental. Der bauliche und gestalterische Aufwand ist viel geringer als bei Steinhof. Der Bereich um die Kirche hat den Charakter eines Dorfplatzes mit Sozialzentrum, Kindergarten und Kaffeehaus. Auch hier eine Überraschung: Es ist nicht klar, wo der Kindergarten endet und das Cafe beginnt. Die Gäste im Cafe, eine Mischung aus StudentInnen mit Laptop, Eltern, die ihre Kinder abholen und leicht verwirrten Patienten. Fließende Übergänge.

Und es geht noch höher hinauf, es kommt noch ein Lagergebäude, das heute künstlerischen Aktivitäten dient und wieder viele Rosen. Und am wirklich höchsten Punkt das am schlimmsten verfallene Gebäude – nicht nur mit einem Baum, sondern mit einem ganzen Wald am Dach. Ich werde nie mehr über den Baum auf dem 8er in Steinhof klagen.

Die Anlage macht neugierig auf ihre Vergangenheit und den Weg in die Zukunft – ein Thema für die nächste Exkursion.

Hier mehr Fotos: https://www.facebook.com/media/set/?set=oa.827275710704388&type=1


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